Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Amazon hat sich global aus Google Shopping zurückgezogen. Von einem Tag auf den anderen verschwanden sämtliche Produktanzeigen des Online-Giganten aus den Suchergebnissen – und das auf rund 20 internationalen Domains. Für Google, Händler und Verbraucher bedeutet dieser Schritt eine Zäsur.
Amazon verschwindet aus den Auktionen: Was bedeutet das?
Google Shopping zählt zu den wichtigsten Werbekanälen im E-Commerce. Händler platzieren dort bezahlte Produktanzeigen direkt in den Suchergebnissen. Amazons Rolle war dabei kaum zu übersehen: In bis zu 30 % der Shopping-Auktionen war das Unternehmen vertreten – in manchen US-Kategorien sogar in über 50 %. Mit seinem Rückzug reißt Amazon ein sichtbares Loch ins Google-Universum.
Die kurzfristigen Auswirkungen zeigen sich bereits: Erste Agenturen berichten von sinkenden CPCs (Cost-per-Click) und steigenden Impressionen für Wettbewerber. Vor allem kleinere und mittelständische Händler erleben derzeit einen ungewohnten Schub an Sichtbarkeit. „Amazon war ein Preistreiber“, so Mike Ryan von SMEC. Der plötzliche Ausstieg habe das Potenzial, das gesamte Auktionssystem zu verändern – ähnlich wie beim Corona-Lockdown 2020, als Amazon seine Werbeausgaben ebenfalls pausierte.
Taktische Pause oder langfristiger Strategiewechsel?
Warum Amazon diesen drastischen Schritt geht, ist offiziell nicht bekannt. Branchenbeobachter spekulieren über mehrere mögliche Gründe: Die Umschichtung von Werbebudgets hin zu eigenen Kanälen wie Amazon Prime, Tests neuer KI-basierter Werbestrategien oder saisonale Überlegungen rund um den Prime Day und das Schulanfangs-Geschäft. Möglich ist auch eine temporäre Kostenoptimierung, wie sie aus Amazons Vergangenheit bereits bekannt ist.
Fakt ist: Amazons eigene Werbesparte wächst rasant. 2023 setzte das Unternehmen knapp 47 Milliarden US-Dollar in diesem Bereich um. Im US-Markt für Retail Media dominiert Amazon ohnehin mit etwa 75 % Marktanteil. Angesichts dieser Entwicklung könnte der Rückzug aus Google ein bewusster Schritt zur Stärkung der eigenen Plattformen sein – und ein Testballon für zukünftige Werbemodelle.
Neue Chancen für Händler – und Risiken für Google
Für viele Onlinehändler eröffnet der Amazon-Ausstieg ein unerwartetes Zeitfenster. Wer bislang gegen den Branchenriesen kaum ankam, kann nun günstigere Klickpreise nutzen, Reichweite ausbauen und Marktanteile gewinnen. Experten empfehlen, Shopping-Kampagnen jetzt zu analysieren und gegebenenfalls mutiger zu investieren. Besonders agile Anbieter könnten von der veränderten Wettbewerbslage langfristig profitieren.
Für Google hingegen bedeutet der Verlust einen empfindlichen Einschnitt. Analysten gehen davon aus, dass Amazon jährlich einen hohen einstelligen Milliardenbetrag in Googles Werbeinventar investierte. Binnen weniger Tage verliert Alphabet nun Milliarden Impressionen – und muss die Lücke schnellstmöglich schließen. Neue Formate wie die KI-basierte „Search Generative Experience“ könnten mittelfristig eine Antwort sein. Kurzfristig jedoch fehlt ein entscheidender Anker im Werbesystem.
Was bleibt: Viele Fragen, viel Bewegung
Noch ist unklar, ob Amazon dauerhaft fernbleiben wird oder lediglich eine temporäre Werbepause einlegt. Branchenstimmen halten beides für möglich. Klar ist aber: Der Schritt verändert die Spielregeln im Retail-Marketing. Wer jetzt flexibel agiert, kann die neue Dynamik für sich nutzen. Und Google wird sich anstrengen müssen, das entstandene Vakuum zu füllen – in einem Markt, der sich ohnehin im Wandel befindet.