Tiktok streicht Stellen in Deutschland – KI ersetzt Content-Moderation

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TikTok entlässt Mitarbeiter

Die Kurzvideo-Plattform Tiktok steht in der Kritik: Bis zu 150 Arbeitsplätze sollen in Deutschland wegfallen, insbesondere in den Bereichen der Content-Moderation an den Standorten Berlin, Düsseldorf und München. Das Unternehmen will seine Moderationsprozesse künftig vermehrt durch Künstliche Intelligenz abwickeln und spricht von einer globalen Neuausrichtung der Sicherheitsstrategie. Diese Entwicklung sorgt für Proteste und wirft grundsätzliche Fragen über den Einsatz von KI in der Arbeitswelt auf.

Hintergrund der Stellenstreichungen

Tiktok begründet den Stellenabbau mit Effizienzsteigerungen durch Automatisierung. Die Content-Moderation, bislang größtenteils durch Menschen durchgeführt, soll nun durch KI-Systeme ergänzt oder ersetzt werden. Diese Systeme sollen problematische Inhalte – etwa Gewalt, Hassrede oder sexuelle Darstellungen – automatisch erkennen und entfernen. Das Unternehmen betont, dass die Sicherheitsaktivitäten künftig stärker global koordiniert werden sollen, wodurch Aufgaben an zentralisierte Teams außerhalb Deutschlands verlagert werden könnten.

In internen Mitteilungen wird von einer Umstrukturierung gesprochen, die auch andere Länder betreffen könnte. Für Deutschland jedoch ist der geplante Abbau besonders drastisch. Viele der betroffenen Arbeitskräfte waren bislang in der täglichen Moderation von Inhalten tätig – oft unter schwierigen psychischen Bedingungen.

Proteste und gewerkschaftliche Kritik

Als Reaktion auf die angekündigten Maßnahmen kam es vergangene Woche zu Protesten vor der Tiktok-Zentrale in Berlin. Organisiert wurden die Demonstrationen von der Gewerkschaft Verdi, die sich bereits seit Jahren mit den Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie beschäftigt. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die konkreten Entlassungen, sondern auch gegen die zugrunde liegende Strategie: Mitarbeitende seien über Jahre hinweg an vorderster Front tätig gewesen und hätten das System mit ihrer Erfahrung überhaupt erst leistungsfähig gemacht. Nun würden sie durch ebenjenes System ersetzt.

Die Protestierenden warnten vor einem generellen Trend, bei dem Unternehmen menschliche Arbeitskraft zur Entwicklung automatisierter Prozesse nutzen – um diese dann durch die Maschine zu ersetzen. Auf Plakaten wurde diese Kritik auf den Punkt gebracht: „We trained your machines.“

Risiken automatisierter Inhaltskontrolle

Die zunehmende Automatisierung der Inhaltsmoderation ist nicht nur eine betriebswirtschaftliche Frage. Experten weisen seit Langem auf die Schwächen solcher Systeme hin. Zwar sind KI-Algorithmen in der Lage, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren. Doch bei der Einordnung von Inhalten, die auf Ironie, kulturellem Kontext oder ambivalenten Symbolen beruhen, stoßen sie schnell an ihre Grenzen.

Hinzu kommt: Wenn problematische Inhalte nicht erkannt oder harmlose Inhalte fälschlich gesperrt werden, ist es für Nutzer oft schwer, gegen diese Entscheidungen Einspruch zu erheben. Ohne menschliche Kontrollinstanz fehlt es an Transparenz und Nachvollziehbarkeit – ein Umstand, der das Vertrauen in digitale Plattformen langfristig untergraben könnte.

Auch aus psychologischer Sicht sind Fragen offen: Zwar sind die Arbeitsbedingungen in der Content-Moderation aufgrund belastender Inhalte häufig schwierig. Doch statt diese Arbeit ganz abzuschaffen, fordern viele eine stärkere Unterstützung der Beschäftigten – etwa durch Supervision, psychologische Betreuung und humane Arbeitszeiten. KI löst diese strukturellen Probleme nicht, sondern verlagert sie lediglich.

Der größere Kontext: Arbeitsplatzverlust durch KI

Der Fall Tiktok steht exemplarisch für eine umfassendere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verändert nicht nur industrielle Prozesse, sondern zunehmend auch Dienstleistungs- und Wissensberufe. Laut einer Statista-Analyse aus dem Jahr 2023 gelten etwa 18 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland als potenziell durch KI gefährdet. Besonders betroffen sind laut Studie:

  • Callcenter- und Support-Mitarbeiter
  • Sekretariats- und Assistenzkräfte
  • Lager- und Logistikpersonal
  • Datenverarbeitende Berufe
 

In vielen dieser Tätigkeitsfelder ist der Einsatz automatisierter Systeme bereits weit fortgeschritten. Chatbots übernehmen Kundendialoge, Lager werden durch autonome Fahrzeuge bewirtschaftet, und Sprachmodelle analysieren Datenmengen in Sekundenschnelle. Während dies für Unternehmen Einsparungen und Effizienzgewinne bringt, bedeutet es für viele Beschäftigte eine wachsende Unsicherheit.

Sozialpolitische Herausforderungen

Die Kritik an Tiktok betrifft daher nicht nur das Unternehmen selbst, sondern wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie kann ein fairer Übergang in eine KI-geprägte Arbeitswelt gestaltet werden? Welche Verantwortung tragen Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitenden, die zur Entwicklung dieser Systeme beigetragen haben? Und wie können Kontrollmechanismen geschaffen werden, die sicherstellen, dass Automatisierung nicht auf Kosten von Transparenz, Qualität und Menschenwürde geht?

Gewerkschaften fordern deshalb klare gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI in der Arbeitswelt – etwa durch verbindliche Mitbestimmungsrechte, Informationspflichten bei Automatisierungsvorhaben und verpflichtende Weiterbildungsangebote für Betroffene. Auch die Politik ist gefordert, stärker auf diese Entwicklungen zu reagieren.

Die geplanten Stellenstreichungen bei Tiktok Deutschland zeigen, wie tiefgreifend Künstliche Intelligenz inzwischen in die Arbeitswelt eingreift. Während Unternehmen auf Effizienz und Automatisierung setzen, bleibt oft unklar, wer für die sozialen Folgen verantwortlich ist. Der Protest der Beschäftigten bringt dieses Spannungsfeld eindrucksvoll zum Ausdruck – und erinnert daran, dass technischer Fortschritt nicht automatisch mit gesellschaftlichem Fortschritt einhergeht.

Quellen: Verdi, Statista

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Marie Nemitz

Online-Redakteurin & SEO Manager

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